Wenn Maria Galizia-Fischer erzählt, nimmt sie uns mit in eine Welt, die wir so nicht mehr kennen: Als viertes von zehn Kindern wird sie 1933 im katholischen Oberfreiamt geboren. Bereits auf der anderen Seite der Reuss, wo die Reformierten leben, beginnt die Fremde. Die Familie lebt auf einem Bauernhof, weitgehend selbstversorgt und vom Milchzahltag. Als die Maul- und Klauenseuche ausbricht, ist die Existenz bedroht, Grossonkel und Pfarrer Anton schickt Schokolade und Segenssprüche. Vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erfährt man über das Radio der gichtkranken Tante Babette im Obergeschoss, eine italienische Hausiererin erzählt vom Grauen der Judenverfolgung. Schweigend pflegt der Vater seine Tiere, der Knecht Vinzenz flucht, die Grossmutter flüstert Stossgebete. In Marias Erinnerung werden die Menschen und Orte der Vergangenheit lebendig, wir gehen mit ihr den einstündigen Weg in die Schule, wo man ihr das Latein verbietet, weil sie ein Mädchen ist, und staunen, wie die Eltern sie später dazu ermutigen, Lehrerin zu werden, und sie trotz finanzieller Schwierigkeiten bei ihrer Ausbildung unterstützen. Wir folgen Maria auf Freizeitausflüge und zu Vorstellungsgesprächen, auf den Pilatus und in die Töchterschule und begleiten sie dabei, wie sie mit viel Mut und grosser Neugier ihren Weg in ein Leben zwischen Tradition und Selbstbestimmung findet.
;Mitten in der Jugendrevolte wurde 1980 die Rote Fabrik als alternatives Kulturzentrum in Zürich eröffnet. Dieses Buch blickt zurück auf die Vorgeschichte und erzählt die Geschichte von Zürichs Alternativkultur bis heute, die mit Widerstand beginnt und mit der Etablierung eines neuen Kulturverständnisses endet, zu dessen Symbol die Rote Fabrik wurde. Die Beiträge setzen sich kritisch mit der Gegenwart und dem betrieblichen Selbstverständnis auseinander, sie erzählen Geschichten von vor und hinter den Kulissen. Erstmals wurden für dieses Buch die Archivschätze gehoben und unzählige Dokumente und Fotos gesichtet und eingeordnet.
Mit Beiträgen von Philipp Anz, Nadine Zberg, Daniel Hitzig, Michelle Steinbeck, Stephan Pörtner, Katja Baigger, Stefan Busz, Michael Hiltbrunner, Viola Rohner, Christoph Müller, Esther Banz, Tan Wälchli, Philipp Klaus, Pablo Rohner, Rachel Mader, Geneva Moser, Nora Strassmann und Pete Mijnssen.
1970 wurde die Schwarzenbach-Initiative nur knapp verworfen. Sie war der Auftakt zu einer bis heute anhaltenden Reihe von «Überfremdungsinitiativen», die Generationen von Menschen mit Migrationsgeschichte traumatisiert haben. In diesem Buch sprechen Zeitzeug:innen der Schwarzenbach-Initiative über ihr Leben im Provisorium. Sie erzählen von prekären Wohnverhältnissen, zurückgelassenen Kindern, Diskriminierung und Ausgrenzung, aber auch von Freundschaft und Widerstand. Viele von ihnen wurden durch die Initiative politisiert und zu einem Engagement bewegt, das bis heute das gesellschaftliche Leben in der Schweiz prägt. Herausgegeben und mit einer Einleitung von Francesca Falk. Unter Mitarbeit von Studierenden der Universität Bern. Mit einem Beitrag zu Überfremdungsdiskursen von Cenk Akdoganbulut. Fotografien von Michael Züger. Literarisch-biografische Texte von Melinda Nadj Abonji und Jelica Popovic erweitern die Darstellung migrantischer Erfahrungen um zwei jüngere Stimmen. Im Nachwort beschäftigt sich Fatima Moumouni mit der gegenwärtigen Migrationsdebatte und dem Rassismus in der Schweiz.
;«Die Gegenwart ist das Möglichkeitslabor der Zukunft» (Richard Rorty). Wenn dem so ist, ist das Erzählen in der Gegenwart jenes, das die Zukunft möglich macht. Kollektives Erzählen formiert Gemeinschaften - wenn deren Mitglieder miteinander über die Zukunft sprechen, so entwerfen sie diese gemeinsam. Lebendige Erzählgemeinschaften speisen sich nicht nur aus der Vergangenheit, sondern reflektieren den gesellschaftlichen und kulturellen Wandel auch mit Blick auf die Zukunft. Deshalb kommt im dritten Band von «Liechtenstein erzählen» nun auch die jüngere Generation im Alter zwischen 20 und 30 Jahren zu Wort, deren Erzählungen sich stärker auf die Zukunft richten: Was bewegt die jungen Menschen heute, wie stellen sie sich den Staat der Zukunft vor, welche sozialen und politischen Themen haben für sie Vorrang? Klimagerechtigkeit, Chancengleichheit, Biodiversität oder Kulturförderung - in den Gesprächen zeigen sich unterschiedliche Zukunftsentwürfe für Liechtenstein. Ergänzt werden sie von Gesprächen mit Personen von verschiedenen Amtsstellen, welche die jeweiligen faktischen Entwicklungen dokumentieren.
;Mit ihrem Erstling 'Erdnüsse. Totschlagen' wurde Ruth Schweikert schlagartig bekannt und zu einer gefragten Stimme. Eine Geschichte wurde hier bestellt, eine Rede da, dort ein Essay. Sie erfüllte die Wünsche und wandte sich Neuem zu. Vieles blieb auf ihrer Festplatte liegen. Ruth Schweikert war eine brillante Erzählerin, die sich auch als engagierte Autorin einbrachte. Dieser Band vereinigt Texte aus drei Jahrzehnten, manche publiziert, andere bisher unveröffentlicht. Der Bogen reicht von frühen Erzählungen über eine fiktive Selbstrezension zu 'Erdnüsse. Totschlagen' und einen abgelehnten Text für eine SP-Wahlzeitung bis hin zu Essays zu Psychiatrie und Literatur oder zur Kunst des Verpackens. Der Band veranschaulicht Ruth Schweikerts Weg von der kompromisslosen Debütantin zur gestandenen Autorin. Hinzu kommen drei Texte von Menschen, die sie in verschiedenen Etappen auf ihrem Weg begleitet haben: Adolf Muschg, Katharina Hacker, Noëmi Lerch.
;5. April 1933: Liechtensteiner Nationalsozialisten wollen Alfred und Fritz Rotter (Schaie), zwei schillernde jüdische Theaterdirektoren, den Berliner Behörden ausliefern, obwohl weder Rechtshilfebegehren noch Schuldspruch vorliegen. Sie locken die Gebrüder Rotter, Gertrud Rotter und Julie Wolff, die im Waldhotel in Vaduz residieren, nach Gaflei in eine Falle. Alfred und Gertrud Rotter kommen ums Leben, Fritz Rotter und Julie Wolff überleben schwer verletzt. Der Strafprozess vom 7./8. Juni 1933 gegen die vier liechtensteinischen Attentäter wirft Wellen in der Nazi- wie der liberalen Presse. Wladimir Rosenbaum, der bekannte jüdische Anwalt aus Zürich, hat ein scharfsinniges Plädoyer vorbereitet, das den grassierenden Antisemitismus als Ursache des Überfalls herausarbeitet. Das Plädoyer wird vom Gericht in Vaduz unterdrückt. Hannes Binder stellt den Tatverlauf in der dichten Schwärze des Schabkartons und mit Ausschnitten aus dem Rosenbaum-Plädoyer dar. Hansjörg Quaderer dokumentiert den atmosphärischen Hintergrund des Verbrechens.
Die Regeln sind bekannt: Wer hat, dem wird gegeben. Jeder für sich, und der Markt gegen alle. Am Ende rette sich, wer kann. Das Spielfeld ist die Schweiz. Giovanni Orelli führt den Leser durch das reiche, wunderschöne, perfekt organisierte Land, und im Ritual des Spiels um Geld, Besitz und Einfluss zeigt er das feine, festgefügte Netz zwischen Gestern und Heute, zwischen hochorganisierter Militärhierarchie und wohldurchdachter Finanzstrategie. Die Metapher des Würfelspiels durchzieht den ganzen Roman, er führt in 20 Etappen in die schönsten und bedeutendsten Städte, an Seen und Berge, der Duft von Schokolade und die Magie der elektronisch überwachten Banktresoren, in denen das Vermögen der Welt verwahrt ist, bilden den Hintergrund zu einem Spiel, in dem die Armen und die Minderbegabten, die Fremdarbeiter und Ausgebeuteten ebenso ihren Platz gefunden haben wie die Spitzen der Gesellschaft. Eine furiose Satire auf die Schweiz von charmanter Unverfrorenheit.